„Macht Durcheinander“: Das ist eine eher höfliche Formulierung der Worte, die Papst Franziskus bei seinem ersten Weltjugendtag in Rio zu den Jugendlichen aus Argentinien sagte. „Hagan lìo“ lautet das Original, eine Aufforderung, die er seitdem immer mal wieder nutzt.
An diesem Mittwoch bricht er auf zu seinem zweiten Weltjugendtag, nach Polen. Und wir dürfen annehmen, dass sich die Botschaft seitdem nicht viel geändert hat. Wie in Turin und in Lateinamerika, in Neapel und vor allem in Korea, immer wieder spricht er in diesen Worten der Unruhe zu jungen Menschen.
Wirbel sollen die Jugendlichen machen, Revolution. „Seid Revolutionäre!“ Das ruft der Papst jungen Menschen zu. Macht Unruhe, Krach, Chaos! Schwimmt gegen den Strom!
Und wenn es um das Thema Familie geht: „Die Welt traut euch nicht zu, wirklich zu lieben, wirklich treu zu sein, und macht euch vor, dass alle Entscheidungen nur vorläufig seien. Habt Mut, seid Revolutionäre“. Treue, das sei etwas Revolutionäres.
Es gebe Jugendliche, die seien schon „in Pension“, seien schon alt. „Gebt nie die Hoffnung in die Zukunft auf!“, die Zukunft liege in der Hand der Jugend, das solle man sich nicht madig machen lassen, nicht resignieren, halt „in Pension“ gehen.
„Schaut voraus!” hatte er erst am Dienstag in einer Videobotschaft Jugendlichen in den USA zugerufen. Nicht vergessen, wo man herkomme, aber immer den Horizont in den Blick nehmen, voran gehen, die Zukunft in die Hand nehmen.
Und dann immer wieder: „Gebt euch nicht zufrieden mit dem, was ist“. Das ist vielleicht der Grundtenor hinter all den Aufrufen zur Unruhe: das sich zu sehr zufrieden geben mit dem, was ist.
In der Flüchtlingskrise lernen wir im Augenblick, was es bedeuten kann, wenn ein ganzer Kontinent aus der Selbstzufriedenheit heraus gerissen wird. Angst, Abschottung, sich Wehren, aber auch Mitgefühl, Hilfe, Selbstlosigkeit, alles kommt vor.
Mit der Unruhe werden wir ehrlich und werden mit dem konfrontiert, was wirklich in uns selber drin steckt. Darum geht es dem Papst, wenn er zur Jugend spricht. Und ich vermute mal: Nicht nur bei der Jugend.
Nachtrag (28.7.): Am Schluss seiner Grußworte am 27. Juli abends, vor Jugendlichen in Krakau beim Weltjugendtag, erinnerte der Papst die Jugendlichen daran, dass es ihre Pflicht sei, die ganze Nacht über Lärm zu machen und die christliche Freude zu zeigen. Das war wohl so ungewöhnlich, dass deutschsprachige Medien (heute-journal) vermeldet haben, der Papst habe gesagt, „macht nicht so viel Krach“. Das Gegenteil ist der Fall.
Lieber Pater Hagenkord!
In der Überschrift bezeichnen Sie Franziskus als “Jugend-Papst”. Das wird schon seine Richtigkeit haben. Ich frage mich allerdings, u.zw. ohne jede Despektierlichkeit gegenüber dem Papst, ob es sich nicht vielleicht auch einmal lohnen würde, einen Blog mit der Überschrift “Papst der vielen Worte” zu verfassen. Ich habe heute das vatikanische Gesprächsprotokoll über die Begegnung von Franziskus mit den polnischen Bischöfen am 27. Juli “durchgeackert” und dabei festgestellt, dass Franziskus bei dieser Gelegenheit gleich zweimal die selbstkritische Äußerung machte, er wisse ohnedies, dass er zu viel rede. (Und ich persönlich glaube, dass er auch zu wortreich schreibt, etwa in Laudato si’ und in Amoris laetitia.)
Verzeihen Sie bitte, dass ich diesen Blog bzw. seine Überschrift dazu “missbrauche”, ein Thema anzuschneiden, das mit diesem Blog gar nichts zu tun hat.
Ich weiß nicht recht, wie sie das meinen. Rechnet man zum Beispiel einfach mal alle Sätze zusammen, welche von den Päpsten gesprochen werden, dann ist Franziskus gar nicht mal so weit vorne. Seine Ansprachen sind nur viel kürzer. Oder meinen Sie das freie Sprechen, etwa bei Pressekonferenzen?
Ja, vor allem das freie Sprechen meine ich. Etwa bei Pressekonferenzen, aber eben auch bei dieser Begegnung mit dem polnischen Episkopat am 27. Juli. In deren Verlauf er ja immerhin selbst zweimal gesagt hat, er spreche zu viel. Und speziell bei seinem “freien Sprechen” kommt es leider auch immer wieder zu “Missverständnissen” auf Seiten der (oder wenigstens mancher) Zuhörer.
Das finde ich persönlich aber gar nicht schlimm. Der Papst ist ein Kommunikator, er spricht und er schweigt, er agiert symbolisch oder ganz und gar menschlich, er lebt eben das, was mit der Metapher des “Hirten” ausgedrückt wird. Und wie alle Menschen, macht er auch Fehler. Aber ihm ist halt eine Kirche, die eine oder zwei Beulen hat lieber als eine, die sich gar nicht herauswagt, und das lebt er vor.
Ja, so kann man es sicher auch sehen.
Ich würde die Art von Papst Franziskus im Umgang mit Worter eher Beharrlichkeit nennen, denn er führt im Grunde immer wieder sehr einfache Worte an, um alle Menschen dafür zu gewinnen, sich nicht der Worte anzunehmen, sondern des Lebens, das damit zum Ausdruck kommt. Außerdem sind es nicht die Anzahl und Wiederholungen der Worte sondern viel eher der Geist, der aus ihnen spricht, der Anklang dort findet, wo er dann auch wirken kann. Natürlich kann man einen Satz in wenige Worte fassen, doch Sprache dient dem Menschen auch, um die Liebe zu vermitteln, die keine kurzen Wege kennt, sondern durch die Menschheit erst ihren Anklang findet. Es geht also bei Worten um viel mehr als ihre bloße Anzahl zu erfassen. Viel zu viele Worte wurden an die Geschichte verschwendet, die wir uns damit selbst zuschreiben und dennoch nicht bereit waren unser Leben danach auszurichten, was diese Worte uns vermitteln. Es ist nicht so, dass wir nicht wüssten, wie gut wir sein können, es mangelt uns aber oft am Willen das Gute auch wirklich im Alltag zu leben und leben zu lassen.