An diesem Samstag Abend hielt Kardinal Karl Lehmann hier in Rom einen bemerkenswerten Vortrag über Hildegard von Bingen.
Kardinal Lehmann über Hildegard von Bingen
An diesem Samstag Abend hielt Kardinal Karl Lehmann hier in Rom einen bemerkenswerten Vortrag über Hildegard von Bingen.
Kardinal Lehmann über Hildegard von Bingen
Braucht man den Glauben oder nicht? Gibt es irgend etwas, was es ohne den Glauben nicht gäbe? Ein heißer Kandidat für eine Antwort darauf wäre die Sittlichkeit: Es braucht einen den Menschen und ihren Setzungen entzogenen Anker, um Moral begründen zu können. Gebe es keine Letztbegründung, dann fiele auch die Moral.
Aber woher kommt das dann? Dazu hat in den vergangenen Monaten und Jahren Hans Joas viel publiziert, meine Kollegin Anne Preckel hat sich mit ihm darüber unterhalten:
Herr Professor Joas, sie sprechen in Ihrem neuen Buch „Glaube als Option“ vom „Tod“ zweier „Pseudo-Gewissheiten“ in unserer Zeit: der Annahme, dass Säkularisierung automatisch zu Moralverfall führt und ein Feind der Religion ist, und andererseits der Annahme, dass es zur Moral unbedingt die Religion braucht. Bitte erklären Sie uns das näher.
„Die Säkularisten und Religionskritiker neigen, man könnte sagen seit dem 18. Jahrhundert dazu, anzunehmen, dass Modernisierung notwendig zur Säkularisierung führt. Säkularisierung im Sinne einer abnehmenden Bedeutung, einer Schwächung, eines Verfalls von Religion. Sie sehen ihren Unglauben damit eben nicht nur als ihre persönliche Überzeugung oder ihren Mangel an Überzeugungen, sondern als die Speerspitze eines historischen Fortschrittes, sie sehen alle Gläubigen damit als rückständig an und den Glauben in all seinen Manifestationen als eine Art Relikt einer Vergangenheit, die überwunden werden muss, auch demnächst überwunden sein wird, aber eben noch nicht überall überwunden ist. Diese Annahme kann man, glaube ich, als Sozialwissenschaftler heute eindeutig als verfehlt darlegen.“
Und was halten Sie diesen Säkularisten und Religionskritikern entgegen?
„Es ist nicht so, dass die geschichtlichen Prozesse, auch gerade die unter dem Titel ,Modernisierung‘ gemeinten, notwendig zu einer Schwächung von Religion führen, diese Annahme ist von bestimmten Prozessen der europäischen Geschichte, vor allem der französischen Geschichte im 19. Jahrhundert, abgelesen. Weiterlesen “„Das Christentum globaler denken!“”
Der Vatikan ist nun wirklich kein Ort, an dem es zu wenig inhaltsreiche Ansprachen gibt. Aber an diesem Dienstag gab es eine ganz besondere: Baroness Sayeeda Warsi, Mitglied des britischen Oberhauses, Mitglied im Kabinett David Cameron, erste Muslima in der Führung der konservativen Partei, gab eine Rede vor Studenten an der päpstlichen Diplomatenschule. Es gibt um die Rolle von Religion und Gesellschaft, um das Christentum und Europa.
Was die Muslima den Christen ins Stammbuch schrieb, war beeindruckend. „Europa müsse mehr Vertrauen in sein Christentum haben“. Sie diene als Abgeordnete „einem christlichen Land.“ Und das alles sei dem Glauben nicht abträglich, auch ihrem eigenen als Muslima nicht. Ganz im Gegenteil.
Ein eindrücklicher Beitrag zur Integrationsdebatte: Nur ein starker eigener Glaube lasse die Angst vor dem Glauben anderer, ja vor dem Anderen selbst abnehmen. Das Abschleifen der eigenen Identität sei genau der falsche Weg.
Sie selber habe ganz bewusst ihre muslimisch erzogene Tochter auf eine christliche Schule geschickt, schließlich sei Großbritannien ein christliches Land, mit christlichem Erbe und christlichen Werten. Das habe den Glauben ihrer heranwachsenden Tochter gestärkt, einen britischen Islam.
Religionen, so Warsi, spiegelten immer die Kultur des Landes wieder, in dem sie gelebt werden, und das sei auch gut so. Deswegen brauche Europa ein Christentum mit mehr Selbstvertrauen. Nur wer den eigenen Glauben ernst nehme, könne das auch mit dem Glauben des Nächsten tun.
Über eine Stunde sprach sie vor den angehenden Diplomaten über die Akzeptanz des Anderen, die über bloße Tolerierung hinausginge, über die Stärke kultureller Werte, die in Europa immer auch die Stärke religiöser Werte sei, und über die Gefahr, die eigene Geschichte verdrängen zu wollen.
„Um sicher zu stellen, dass der Glaube seinen eigenen Ort in der Öffentlichkeit hat und dass der Frieden in der Gesellschaft gefördert wird, müssen sich Menschen ihrer religiösen Identität sicherer werden, überzeugter in ihrem Glauben. Das bedeutet in der Praxis, dass Glauben nicht verwässert wird und Nationen ihr religiöses Erbe nicht verleugnen. Um diesen Gedanken zu Ende zu führen: Europa muss sich seines Christentums sicherer werden.“
Meinungsfreiheit höre dort auf, wo Fakten geleugnet würden. So melden Nachrichtenagenturen an diesem Freitag die Reaktion von Armeniern in Deutschland auf das Verbot der Leugnung des Völkermordes an den Armeniern. Frankreich hatte ein solches Gesetz verabschiedet, jetzt solle auch Deutschland das tun, fordern die Vertreter der Armenier.
Meinungsfreiheit hört dort auf, wo Fakten geleugnet werden. Ich kann die Betroffenen verstehen, fast 100 Jahre lang hat man oder wollte man vergessen, was ihnen angetan wurde. Aber die Meinungsfreiheit einschränken ist ein massiver Eingriff in die Art und Weise, wie wir Demokratie verstehen.
Zudem: Es ist ja ironischerweise gerade die Meinungsfreiheit, die sich hier durchgesetzt hat. Man hielt sich nicht an das verordnete Schweigen sondern redete und forschte.
Mir wird bange, wenn ich solche Worte hören, so verständlich sie auch sind.
Und dann ist da ja auch noch Deutschland. Wir haben auch so ein Gesetz. Bei uns steht das Leugnen des Holocaust unter Strafe. Wie ich finde: zurecht. Hier wird durch Leugnung massiv Schaden angerichtet, und das gewollt. Der Riegel ist gut gesetzt.
Aber wie passen diese meine beiden Meinungen zusammen? Ich bin mir sehr unsicher geworden.
Sicher bin ich mir aber, wie man den Betroffenen – den Nachfahren der Armenier wie der Juden – von gesellschaftlicher Seite am besten helfen kann: Indem wir ihr Schicksal nicht vergessen. Und das ist zuletzt eine Bildungsfrage. Wenn in Schulen und in Büchern und anderswo nicht vergessen wird, was die Schattenseiten und Abgründe unserer Geschichte sind und waren, was die Kulturen sind und waren, die am meisten zu leiden hatten, wenn wir die Bräuche und die Musik und die Kultur und vor allem anderen die Menschen nicht vergessen, dann brauchen wir letztlich auch kein Verbot.
Gegen die Dummheit der Menschen kämpfen selbst die Götter vergeblich, weiß schon Schiller. Und auch die Gesetze. Ja, in Frankreich kann man jetzt bestraft werden, wenn man den Völkermord an den Armeniern leugnet. Aber hilft das gegen Menschen, die historische Einsichten nicht wahrhaben wollen?
Meinungsfreiheit hört da auf, wo Fakten geleugnet werden. Noch eine Frage: Wer bestimmt, was diese Fakten sind? Als studierter Historiker reagiere ich allergisch auf die Feststellung, dass etwas „historisch bewiesen“ sei. So was ist Unfug. Wir haben Wissen, aber das haben wir, weil wir Fragen stellen. Manche Fragen sind gut, manche führen uns weiter, andere führen in Sackgassen.
Leugnung ist keine ‚Frage’, das ist klar. Aber wo ziehen wir die Grenze? Was sind dies sogenannten ‚Fakten’ und wer darf bestimmen, was ein Fakt ist?
Ich bin da sehr unsicher geworden. Verbote sind auf jeden Fall nicht der beste Schritt.
Ich mag Autoren, die klug sind. Ich mag Autoren, die witzig sind, gerne auch etwas böse. Und ich mag Autoren, die das Geistliche im Menschen kennen und schätzen. Und deswegen gehören die Radiobeiträge von Hans Conrad Zander, aber auch seine Bücher über die „Todsünde Dummheit“ oder über den heiligen Thomas zur Standardausrüstung im Bücherregal.
Und jetzt etwas Neues: Als die Religion noch nicht langweilig war. Eine Geschichte der Wüstenfväter. Wer fromme Erbauungsliteratur erwartet, sollte das Buch nicht aufschlagen. Weiterlesen “Als die Religion noch nicht langweilig war”
Manoppello – ein kleiner Ort fast an der Adria, direkt östlich von Rom, in den Ausläufern der Abruzzen. Nichts wirklich Auffälliges dort, wenn da nicht das Bild wäre. Ein Bild, von dem gesagt wird, dass es das Stück Stoff sei, das im Grab auf Jesu Gesicht gelegen habe. Ein Parallelbild also zum Grabtuch in Turin. Aber wie auch beim Grabtuch gibt es Debatten darum, ob das denn überhaupt stimmen könne. Und wenn es stimmt, was es für unseren Glauben bedeute. Der Journalist Paul Badde hat sich lange und intensiv mit dem Stück Stoff beschäftigt und ein Buch darüber geschrieben. Mit ihm habe ich mich über das Tuch, seine Geschichte und die Frage nach Christi Gesicht unterhalten. Ein Gespräch über Gott und Welt, über die Wichtigkeit von Bildern und die Spuren Jesu in unserer Welt.
„Ich bin hineingestolpert. Ich hatte schon oft davon gehört, hatte es aber nie Ernst nehmen können. Bevor ich nach Jerusalem entsandt worden war (Anm.: P. Badde arbeitet für die Zeitung Die Welt), hatte ich in Berlin meine erste Digitalkamera bekommen. Vor Jerusalem wollte ich Auschwitz sehen. Ich bin also nach Auschwitz gefahren. Dann bin ich nach Loreto geflogen – das wollte ich meiner Frau zeigen – und dann sagte ich zu meiner Frau: Ich muss dir dieses eine Bild noch einmal zeigen, das habe ich gesehen. Dann sind wir runter gefahren und ich habe die ersten Fotos gemacht. Die ersten Digitalfotos überhaupt, die je in meinem Computer waren. Und die Bilder waren in meinem Computer in Jerusalem und immer wieder sprangen die mal hoch, sodass ich erneut darüber gestolpert bin. Und plötzlich, eines Tages – ich hatte ja gehört, was darüber erzählt worden war – und da dachte ich: Was ist eigentlich, wenn das stimmt? Wenn das wirklich das wahre Bild ist, die Veronika, das Acta-Bild, die ganzen Namen, die es dafür gibt? Und da dachte ich, das müsste ich mir noch einmal anschauen. Und dann bin ich hingefahren, ich hatte meine Kamera dabei und wusste mittlerweile auch besser, wie man fotografiert, und habe dann verschiedene Dinge ausprobiert. Und plötzlich dachte ich, es gibt gar keine andere Möglichkeit, das muss es sein, es gibt nichts Vergleichbares dazu.“
Vielleicht ein paar Sätze noch dazu: Was ist das? Das ist Muschelseide, also recht rares Material. Man sieht das Gesicht eines Mannes, aber was ist das? Wenn es „echt“ ist, was ist es eigentlich?
„Es gibt verschiedene Namen dafür. Der erste Namen, der dafür in der Weltgeschichte gefallen ist, ist „Sudarium“. Und zwar im Evangelium des Johannes in der Sequenz der Auferstehung, als Johannes und Petrus morgens zum Grab laufen. Sie finden das Grab nicht leer, sondern da sind Objekte drin, Tücher. Weiterlesen “Das wahre Gesicht ?!”
Die Mächtigen dieser Erde suchen die Nähe zur Allmacht. Auf der Suche nach Legitimation in den ständigen Veränderungen der Welt binden sie diese an den einzigen unwandelbar Mächtigen der Welt, an Gott. Und so finden sich im Kaiserdom zu Speyer, der an diesem Sonntag 950 Jahre geweiht ist, Kaisergräber.
Nun will ich auf keinen Fall Urteile fällen über den persönlichen Glauben der Herren. Trotzdem fragen wir uns heute doch, wo denn all die anderen Gläubigen sind, die keine Macht hatten. Jedenfalls nicht in der wunderschönen Krypta unter dem Dom, einem der schönsten Räume, die ich kenne. Und diese Frage ist nicht nur aus political correctness gestellt. Warum erfahren diese Herren soviel christliche Aufmerksamkeit? Wie halten wir es mit dieser Nähe von Macht und Kirche? Weiterlesen “Der Dom und die toten Kaiser”