Die Wahrnehmung des Papstes während seines Besuches in Deutschland wird von in den Medien und der Öffentlichkeit festen Wahrnehmungsmustern bestimmt werden. Zu diesen Mustern gehören die fast schon automatisierten Wahrnehmungsweisen, die in den Medien oder in der Öffentlichkeit abgerufen werden. Ich möchte eine – unvollständige – Typologie versuchen.
Zunächst einmal ist da das „Dan Brown Phänomen“: Die Kirche ist geheimnisvoll, hermetisch und gestrig. Hexenverfolgung, Inquisition: das sind ästhetische Modelle genauso wie die rhetorische Figur des Opus Dei oder den berüchtigten Reichtum des Vatikan. Sie sind immun, ganz gleich, was man dazu sagt, es wird als Bestätigung gelesen. Es geht gar nicht um Verstehen, sondern um Versatzstücke der Popularkultur; keine Chance zu so etwas wie Dialog.
Dann ist da das Papstreisen-Phänomen, wunderbar zu beobachten beim Großbritannienbesuch im letzten Jahr. Man sieht etwas, was man nicht erwartet hatte und was man aus der eigenen Kultur nicht kennt, nämlich das, was ich einen „Star mit Inhalt“ nennen möchte.
Der Papst erfüllt mit seinem repräsentativen Auftreten, mit seiner Kleidung, der Liturgie und damit, dass er auf gesellschaftlich höchstem Niveau spielt, alle Anforderungen der Medien an einen Star. Andererseits hinterfragt der Papst die Grundlagen dieser Konsumkultur, auf der unsere Medienwelt aufsetzt. Das schafft in seiner Authentizität Interesse.
Als drittes möchte ich die völlige Überforderung nennen, welche die Kirche für viele Journalisten heute darstellt. Das Basiswissen, um die Abläufe und Strukturen verstehen zu können, ist kaum noch außerhalb eines Fachkreises vorhanden. Die Gefahr hier ist, dass das Ästhetische sich vom Inhalt löst, dass die besonderen Hüte und Chorgewänder und liturgischen Formen als solche wahrgenommen werden, ohne noch einen Inhalt zu transportieren.
Dann gibt es den „Kontrast“ Effekt. Der Papst könnte eine revolutionäre Rede schreiben, in dem Augenblick, in dem er bestimmte Worte benutzt oder Themen anschneidet, würde ein Großteil der Medien nicht weiter zuhören. Viele Berichte bestehen leider bloß daraus, die Kirche auf Konflikte abzuklopfen. Je größer der Kontrast, desto eher die Wahrscheinlichkeit, dass es Aufsehen und damit Interesse und damit Leser oder Zuschauer bringt.
Neu ist eine Wahrnehmungsweise, die ein Kind der Internetmedien ist: Der Triumph der Meinung über die Information. Das Internet ist voller Meinungen zu allem und jedem, und jeder Mensch hat ja auch ein Recht auf seine Meinung und deren Verbreitung. Leider führt die ständige Jagt nach Aufmerksamkeit, Klickzahlen, nach Werbekunden oder Blogbesuchern aber zu einem Verdrängen von Informationen. Als Nebenwirkung zeigt sich dann auch eine „bedrückenden Verschärfung der Tonlage in der Kommunikation zur Kirche“ (Zitat Stefan Vesper). Bedrückend, weil man sich häufig genug wehrlos fühlt vor dem, was einem im Netz von Vorurteil bis Häme und glattem Hass entgegenschlägt. Mir geht das jedenfalls so. Gerade im kirchlichen Bereich (oder einem Bereich, der sich als kirchlich ausgibt) gibt es einige ganz besonders bedauerliche Beispiele.
Ich habe Papst Benedikt XVI. einen „Star mit Inhalt“ genannt. In Großbritannien hat er die Wahrnehmung „gedreht“, soll heißen, er hat auf die genannten Wahrnehmungsmuster Einfluss gehabt. Er hat zum Dialog über Staat und Religion, über Glaube und Kultur, über Kirche und Kirchlichkeit beigetragen: Die Öffentlichkeit war voll davon (wenn man das denn wollte).
Die Sprache von Papst Benedikt
Papst Benedikt spricht eine Sprache, die verstanden wird. Er kann (und wird) zum Dialog innerhalb der Kirche beitragen, wenn man denn zuhört.
Dabei ist selber denken. Und dazu ist Benedikt XVI. genau der Richtige.
Noch einmal: Papst Benedikt hat eine Sprache gefunden, die verstanden wird.
– Er hat keine Parolen
– Er spricht theologisch, geistlich, klug
– Er nimmt die Zuhörer ernst, weil er Ansprüche stellt
– Er nimmt die Zuhörer ernst, weil er keine Phrasen drischt
– Er macht keine Show
Er spricht auf eine Weise, wie wir es in unseren medialen Debatten normalerweise nicht kennen. Und deswegen freue ich mich auf diesem Papstbesuch.
Gut gefuehrter Blog, gefaellt mir sehr gut. Auch gute Themen.