Die Stadt Rom – einmal im Jahr wird sie Symbol für die ganze Kirche. Und zwar immer am 8. Dezember, dem Hochfest der Unfleckten Empfängnis. Der Papst begibt sich zur Mariensäule an der Piazza di Spagna und wendet sich an die Stadt, aber oft genug kann man Stadt auch durch Gesellschaft ersetzen.
Eine dieser Ansprachen – die erste, die ich hier in Rom mitbekommen habe – hat mich nachhaltig beeindruck und beeinflusst. Es ist die vom 8. Dez 2009, an die ich an dieser Stelle noch einmal erinnern möchte. Aus gegebenem Anlass, aber vielleicht auch, weil die Papstworte meistens erst langfristig ihre echte Wirkung entfalten.
Das Aufgeblasene auf Seite 1
„Habt keine Angst, Jesus hat das Böse besiegt – wie sehr brauchen wir diese gute Nachricht! Jeden Tag wird uns doch in Zeitung, Fernsehen und Radio das Böse erzählt, wiederholt, aufgeblasen; wir gewöhnen uns an die schrecklichsten Dinge, werden gefühllos und gewissermaßen vergiftet. Das Böse hinterlässt Ablagerungen, jeden Tag mehr, das Herz verhärtet sich, die Gedanken werden bitter.
(…) In der Stadt leben – und überleben – unsichtbare Personen, die manchmal auf die Seite eins oder auf den Bildschirm katapultiert werden: ausgenutzt bis zum Letzten, solange die Nachricht oder das Bild noch einen Rest an Aufmerksamkeit ergattern. Das ist ein perverser Mechanismus, gegen den leider kaum etwas zu unternehmen ist. Die Stadt verbirgt zunächst – und breitet dann alles vor der Öffentlichkeit aus. Ohne Mitleid, oder mit einem falschen Mitleid.“
Eigentlich, so Papst Benedikt, sei jede menschliche Person „heilig“ und verdiene „den größtmöglichen Respekt“. „Die Stadt sind wir alle, wir alle tragen zu ihrem moralischen Klima bei, im Herzen eines jeden von uns verläuft die Grenze zwischen Gut und Böse.“ Keiner dürfe über andere urteilen, sondern jeder solle zuerst einmal sich selbst bessern.
Das Zuschauersein verdirbt uns
„Die Massenmedien tendieren dazu, dass wir uns nur als Zuschauer fühlen – als ob das Böse nur die anderen etwas anginge. Dabei sind wir in Wirklichkeit Akteure, im Guten wie im Schlechten: Unser Benehmen hat Einfluß auf andere. Die Verschmutzung des Geistes bringt uns dazu, dass wir weniger lächeln, angespannt sind, die anderen nicht grüßen, ja nicht einmal ansehen. Dabei besteht die Stadt aus Gesichtern – aber wir nehmen nur noch die Oberfläche wahr. Nicht Personen, sondern Körper: Körper ohne Seele, als wären sie Objekte ohne Gesicht. Austauschbar und konsumierbar.“
Er wolle sich einmal bei allen bedanken, die „im Stillen, nicht mit Worten, sondern mit der Tat, das evangelische Gesetz der Liebe verbreiten, das die Welt vorwärtsbringt“. Sie seien viele, „auch hier in Rom“, und tauchten selten in den Schlagzeilen auf: „Männer und Frauen jeden Alters, die verstanden haben, dass es nichts bringt, zu verurteilen, zu jammern oder Vorwürfe zu machen, sondern die auf das Böse mit dem Guten antworten. (…)
Das ändert die Dinge – genauer gesagt: Das ändert die Personen. Das verbessert die Gesellschaft.“