Galileo Galilei gibt es zwei Mal: Zum einen die historische Gestalt (deren 350. Geburtstag wir in diesem Frühjahr feiern), zum anderen den Mythos, den wir alle kennen. Beide haben recht wenig miteinander zu tun, in unseren Sendungen an den Dienstagen in diesem Monat haben wir uns ausführlich damit befasst.
Schlussworte spricht in meiner Sendung heute der Theologe und Psychiater Manfred Lütz, der sich viel mit den Mythen befasst hat, die einem gesunden Verstehen von Glaube und Kirche populär im Wege stehen. Wenn man Menschen in einer x-beliebigen Fußgängerzone zu Galileo fragen würde, wären 80% aller Antworten historisch falsch, sagt Lütz.
Erst neulich hatte ich eine Debatte im privaten Kreis, wo mich jemand fragte, warum auf einmal Katholiken triumphierend Galilei niedermachen würden, das sei alles ganz anders gewesen, Galilei habe wissenschaftlich Unrecht gehabt und so weiter. Meine Antwort heute darauf ist, dass es eine Art Befreiungserlebnis ist. Der Mythos wird als solcher erkannt, die historische Wissenschaft darf forschen, ohne von festgefügten falschen Meinungen daran gehindert zu werden und für viele ist das wirklich befreiend.
Natürlich ist es jetzt falsch, triumphal aufzutreten, aber Recht – Unrecht und Opfer – Täter ist nicht ganz so einfach verteilt, wie es das kulturelle Gedächtnis – die Menschen in der Fußgängerzone – wissen wollen.
Das ist aber nicht die Lehre, die wir aus dem „Fall Galileo“ ziehen können. Die Lehr ist eine andere. Ich darf noch einmal aus meiner Sendung Manfred Lütz zitieren:
„Ich finde, dass die Kirche daraus lernen muss, dass nicht unbedingt das, was wirklich passiert ist, sondern das, was die Menschen darüber denken, relevant ist für die Wirkung. Man muss viel zeitiger sehen, wie das, was wir tun, wirkt. Das ist kein Nebeneffekt nach dem Motto ‚ist egal wie es wirkt ich muss es tun‘. (..) Wie wir Dinge rüber bringen, in welcher Sprache wir sie rüber bringen, wie differenziert wir damit umgehen ist wichtig.“
Soll heißen: Sich selbstgerecht zurücklehnen, weil man ja das richtige tut, bringt nichts. Als Kirche, als Verkünder muss ich mich auch um das Verstehen kümmern. Das liegt nicht in unserer Kontrolle, und das ist gut so, man kann Kommunikation aber lernen. Man muss Situationen nicht außer Kontrolle laufen lassen. Kommunikation ist kein Nebeneffekt. Sie ist Wirklichkeit.